In diesem Jahr gab es zahlreiche Berichte und Meldungen in den regionalen Medien,
hier eine Auswahl:
Was das Leben „sauschwer“ macht
„Betonkopf 2007“ fürs Drehkreuz:
16 von 30 Potsdamer Ladenfilialen
haben Hindernis am Eingang
Von Jana Haase
Am Schlaatz – Nein, direkt ausgegrenzt werde er nicht. Die Kassiererin helfe ihm manchmal sogar, gegen den Besucherstrom an der Kasse in den Laden zu kommen. Und wenn er Glück hat, findet Joachim Kumpch sogar jemanden, der das Drehkreuz aushebelt, dass ihm den Eintritt zum Geschäft verwehrt. Mit selbst bestimmtem Leben haben diese „Lösungen“ allerdings wenig zu tun. „Ich knirsche mit den Zähnen“, beschreibt der Potsdamer Rollstuhlfahrer seine Gefühle: „Es sind solche fürchterlichen Kleinigkeiten, die für uns das Leben sauschwer machen.“
Für das Drehkreuz gab es gestern eine „Auszeichnung“: Der Allgemeine Behindertenverband Land Brandenburg (ABB) verlieh ihm im Bürgerhaus am Schlaatz den „Betonkopf Brandenburg 2007“. Es sei ein „geradezu ideales Instrument zur Ausgrenzung mobilitätsbehinderter Menschen“, begründete Stephan Faust, Rechtsberater des ABB, die Wahl in seiner Laudatio. Der ABB verleiht den Negativpreis jährlich seit 2004. Die gestrige Verleihung fand auf dem Aktionstag gegen Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen statt. Unterstützt wurde der Tag von der „Aktion Mensch“.
16 von insgesamt 30 getesteten Lebensmittelmarkt-Filialen in Potsdam waren Anfang April 2007 mit einem Drehkreuz ausgestattet, so Paul Redel vom ABB. Darunter auch neu eröffnete Geschäfte wie die Plus-Filiale in der Glasmeisterstraße gegenüber dem Oberlinhaus. Dabei gäbe es einfache Alternativvarianten wie die Bügeltür, erklärt Bauingenieur Kumpch.
Der ABB hatte sich im Vorfeld der Verleihung per Brief an die Geschäftsführungen der Handelskonzerne, die das Drehkreuz verwenden, gewandt. In Brandenburg sind das laut Faust unter anderem Aldi, Netto, Rewe, Plus und Penny. Die Reaktionen seien „unterschiedlich“ ausgefallen: Während Aldi und Penny überhaupt nicht geantwortet hätten, habe Rewe die Beseitigung der Kreuze zusagt. Die Netto-Konzernleitung dagegen habe „trotzig, uneinsichtig und lebensfremd“ reagiert. Im Antwortschreiben, das den PNN vorliegt, beruft sich der Leiter der Netto-Einrichtungsabteilung auf die behindertengerechten Parkplätze und die Durchgangsmöglichkeit im Kassenbereich. Plus dagegen habe in einzelnen Fällen das Kreuz beseitigt, andererseits aber auch – wie in Potsdam – neue Märkte mit Drehkreuz eröffnet. Die „standortspezifischen Gründe“, die der Konzern als Begründung dafür anführe, leuchten Paul Redel allerdings nicht ein: „Wir möchten, dass alle Drehkreuze verschwinden“, fasst der ABB-Sprecher die Forderungen des Vereins zusammen.
Der gestrige Aktionstag fand im Vorfeld des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai statt. 18 724 Menschen mit Behinderung leben in Potsdam, sagte Annekatrin Buntrock vom Bereich Statistik der Stadtverwaltung gestern auf PNN-Anfrage. Etwa zwei Drittel von ihnen hat einen Behinderungsgrad von über 50 Prozent und gilt damit als „schwerbehindert“.
www.betonkopf-brandenburg.de
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