2005 Ministerium für Infrastruktur
Wir vergeben heute (3. Mai 2005) zum zweiten Mal den "Betonkopf" als Preis für eine gelungene Diskriminierung behinderter Menschen im Land Brandenburg,
diesmal an das
Ministerium für
Infrastruktur und Raumordnung
Henning-von-Tresckow-Str. 2-8
14467 Potsdam
Mobilität ist für behinderte Menschen eine wichtige Voraussetzung zur Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben. Wer als Behinderter in seiner Mobilität eingeschränkt ist, dem stehen Nachteilsausgleiche zu. Gegen den Erwerb einer Wertmarke kann er die Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs unentgeltlich nutzen. Kostenlos ist das aus Sicht des Betroffenen noch lange nicht, denn für diese Wertmarke sind jährlich 60,00 EUR zu bezahlen.
Dieser Nachteilsausgleich gilt für den sogenannten Nahverkehr. Für den Fernverkehr muss auch ein Mobilitätsbehinderter wie jeder andere Fahrgast einen richtigen Fahrschein der Deutschen Bahn AG kaufen.
Für den Nahverkehr ist aber alles einfach. Der Schwerbehindertenausweis mit gekaufter Wertmarke gilt praktisch wie ein Fahrschein des VBB – des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg - der von einem nichtbehinderten Bürger am Schalter oder Automaten gekauft wird. Dieser VBB-Fahrschein ist ebenfalls nur für den Nahverkehr gültig.
Mit beidem - dem VBB-Fahrschein oder dem Schwerbehindertenausweis mit Wertmarke - können die Fahrgäste die S-Bahn in Berlin, den Regionalexpress und die Regionalbahn im Land Brandenburg und schließlich auch den InterRegio oder InterRegioExpress nutzen.
Im Dezember 2004 gab es fast pünktlich zu Weihnachten eine gute Nachricht. In einigen Intercity-Züge konnte man nunmehr mit dem VBB-Fahrschein, der ja eigentlichen nur für die Züge des Nahverkehrs gilt, fahren.
Groß war allerdings die Überraschung, als auf den Bahnhöfen die ersten Aushänge dieser positiven Nachricht auftauchten. Ganz unter im Kleingedruckten fand sich dann der Hinweis:
"Schwerbehinderter mit Beiblatt und gültiger Wertmarke können... nicht im IC kostenfrei mitfahren.“
Das fanden wir verwunderlich. - Wieso ist der gleiche IC-Zug für den einen zu Konditionen des Nahverkehrs nutzbar, für den anderen gilt er aber als Verkehrsmittel des Fernverkehrs?
Wir fragten nach:
Zuständig dafür, dass auf brandenburgischen Schienen überhaupt Züge des Nahverkehrs fahren, ist das Land Brandenburg. Das steht so im Gesetz. Das Land hat dafür zu sorgen, dass es einen ordentlichen Schienennahverkehr im Brandenburgischen gibt und gibt dafür jedes Jahr eine ganze Menge Geld aus. Es bestellt bei der Deutschen Bahn AG bzw. deren Tochterunternehmen den gesamten schienengebundenen Nahverkehr und bezahlt ihn auch.
Das Land oder etwas konkreter das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung entscheidet welche Züge im Nahverkehr fahren sollen und handelt mit der Bahn dann aus, was das ganze kosten soll. Mit den organisatorischen Fragen hat das Land den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg beauftragt.
Im vergangenen Jahr hat das Land dann wieder etwas bei der Deutschen Bahn bestellt und dazu einen Vertrag geschlossen. Es ging um die Nutzung von eben jenen IC-Zügen im Rahmen des Nahverkehrs. Das Land wollte, dass der VBB-Fahrschein für den Nahverkehr auch in einigen IC-Zügen gilt. Die Bahn hatte nichts dagegen und hat sicherlich einen finanziellen Ausgleich hierfür verlangt.
Ab Dezember 2004 war es dann soweit - freie Fahrt in einigen IC-Zügen mit Fahrausweisen des Nahverkehrs - nur nicht für Mobilitätsbehinderte.
Die sind beim genannten Vertrag nämlich nicht berücksichtigt worden. Das zuständige Ministerium teilte dazu auf unsere Nachfrage am 21.04.2005 mit:
"Zur Zeit wird für die Nutzung von IC-Zügen mit dem Schwerbehindertenausweis... und gültiger Wertmarke kein Ausgleich durch den Aufgabenträger geleistet.“
Oder ganz kurz gesagt: es ist vom Land bei der Deutschen Bahn AG nicht bestellt, wird vom Land nicht bezahlt und deshalb von der Bahn nicht gestattet. Bestellt ist lediglich die Fahrt im IC mit einem VBB Fahrschein.
Dass im Ergebnis Fahrgäste mit Fahrscheinen des VBB-Nahverkehrs bestimmte IC-Züge nutzen können, Mobilitätsbehinderte mit den gleichen Zügen allerdings nicht zu Konditionen des Nahverkehrs fahren dürfen, ist eine Benachteiligung behinderter Menschen und verstößt gegen das Gleichheitsgebot von Grundgesetz und Brandenburgische Landesverfassung.
Dafür gibt es den diesjährigen Betonkopf und wir finden, er ist wohlverdient.
www.betonkopf-brandenburg.de
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