Das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg und die Kassenärztliche Vereinigung des Landes Brandenburg
Brandenburgischer Betonkopf 2014
Laudatio
Der Allgemeine Behindertenverband Land Brandenburg e.V. (ABB e.V.) verleiht am heutigen Tag anlässlich an des Europäischen Aktionstages für die Gleichstellung und Teilhabe und gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen den Betonkopf 2014 an das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg und die Kassenärztliche Vereinigung des Landes Brandenburg für konsequente Untätigkeit bei der Sicherung einer barrierefreien ärztlichen Versorgung von Patientinnen und Patienten im Land Brandenburg.
In einigen Teilen des Landes fällt es schon schwer, überhaupt einen Termin bei einem Facharzt zu erhalten. Ist der Patient dann aber noch auf eine barrierefreie Arztpraxis angewiesen, ist dieses Unterfangen manchmal schlicht aussichtslos.
Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt, der Landtag hat die Landesregierung bereits 2010 aufgefordert, Maßnahmen zu einer raschen Beseitigung von Barrieren bei Zugang zu Arztpraxen und anderen therapeutischen Einrichtungen zu ergreifen.(1)
Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet das Land die Zugänglichkeit von medizinischen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung zu gewährleisten und Barrieren abzubauen.(2)
Im behindertenpolitischen Maßnahmepaket der Landesregierung Brandenburg zur Umsetzung der UN-Konvention findet sich die Zusage, ab 2012 bestehende Förderprogramme gezielt für die Umrüstung von Arztpraxen nach behindertengerechten Standards zu nutzen.
Im Juli 2013 berichtete die Landesregierung den Vollzug in einem Zwischenbericht:
„Ein besonderes Augenmerk wurde seitens des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (MUGV) daher darauf gelegt, den barrierefreien Zugang zu Arztpraxen im Land zu verbessern. Bestehende Förderprogramme wurden gezielt genutzt, um Arztpraxen im Bestand nach behindertengerechten Standards umzurüsten.“(3)
In der Augen der Betroffenen ist in den vergangenen Jahren keine durchgreifende Verbesserung feststellbar gewesen.
Die diesbezüglichen Recherchen auf Grundlage von Auskünften des Gesundheitsministeriums haben allerdings ergeben, dass dieser Thematik weder ein besonderes Augenmerk gewidmet wurde, noch bestehende Förderprogramme gezielt und in größerem Umfang zu diesem Zweck genutzt wurden.
In den Jahren 2010 bis 2012 haben nur insgesamt neun Arztpraxen im Land Brandenburg finanzielle Zuwendungen aus Förderprogrammen erhalten. Eingeschlossen sind in dieser Zahl vier Zahnarztpraxen. Nur in einem einzigen Fall wurde eine Förderung ausdrücklich für die Herstellung eines barrierefreien Zugangs bewilligt.
In anderen Fällen sind hohe – mitunter sechsstellige – Eurobeträge zur Erweiterung von Praxen oder den Neubau gezahlt worden, ohne dass eine barrierefreie Zugänglichkeit geschaffen wurde. So wurde 2012 199.500,00 EUR zur Erweiterung und Modernisierung einer Zahnarztpraxis in einer Kleinstadt im Südosten Berlins bewilligt, die im Ergebnis heute noch immer nicht barrierefrei zu erreichen ist.
Insgesamt hat das Land aus dem diesbezüglichen Europäischen Förderprogramm im gleichen Zeitraum ca. 4.500 Projekte aus verschiedensten Bereichen gefördert.
Aus Sicht des Allgemeinen Behindertenverbandes Land Brandenburg hat das Gesundheitsministerium in den zurückliegenden vier Jahren nichts unternommen, um bauliche Einschränkungen beim Zugang zu Arztpraxen im Land Brandenburg zu beseitigen.
Wenn gleichwohl in der Außendarstellung der Eindruck vermittelt wird, man habe sich dieses Themas „mit besonderem Augenmerk“ angenommen und „zielgerichtet“ agiert – ist das eine bewusste Irreführung.
Der diesjährige Betonkopf geht auch an die Kassenärztliche Vereinigung des Landes Brandenburg. Die Vertretung der niedergelassenen Kassenärzte sieht zwar das Problem, hält sich aber seit Jahren nicht für zuständig, an einer Verbesserung der Situation mitzuwirken.
Der Allgemeine Behindertenverband Land Brandenburg e.V. wirft der Vereinigung vor, ihre Mitglieder nicht ausreichend für die Situation von Patienten und Patientinnen mit Behinderungen zu sensibilisieren und für den eingeständigen Umbau von Arztpraxen durch niedergelassene Mediziner zu werben.
Er fordert darüber hinaus, dort bestehende Förderprogramm zur Unterstützung der Niederlassung von Ärzten auszuweiten und gezielt den Abbau von Barrieren in der ambulanten Versorgung mobilitätsbehinderter Patienten und Patientinnen finanziell zu unterstützen.
Der Allgemeine Behindertenverband Land Brandenburg e.V. (ABB e.V.) appelliert an die Preisträger und alle politisch Verantwortlichen im Land Brandenburg, sich der Sicherung einer flächendeckenden ambulanten Versorgung für mobilitätseingeschränkte Patienten und Patientinnen anzunehmen.
Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch, sie müssen nicht gefunden, sondern umgesetzt werden.
Die Verpflichtung des Landes aus der Landesverfassung, für Menschen mit Behinderung gleichwertige Lebensbedingungen zu gewährleisten, gilt auch für die medizinische Versorgung und der Eid des Hippokrates endet nicht an der Praxistür!!!
(1) Beschluss des Landtages vom 09.09.2010 – Drucksache 5/1922-B Landtag Brandenburg
(2) Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft seit 2008
(3) Inklusion hat viele Gesichter – Eine Zwischenbericht zum Behindertenpolitischen Maßnahmepaket, dort Seite 21
www.betonkopf-brandenburg.de
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